Renate Anderl

Viele Grenzwerte für giftige Stoffe und Belastungen sind für 8-h-Tag ausgelegt, bei 12-h-Tag muss Anpassung erfolgen

Der Frühling zieht viele Menschen wieder vermehrt ins Freie. Frische Luft und Bewegung als Ausgleich zur täglichen Belastung am Arbeitsplatz stehen auf dem Programm. Dabei ist auch Vorsicht geboten. Nach den üblicherweise trägen Wintermonaten muss das Training langsam begonnen werden.

Was in diesem Frühjahr auch mitspielt, ist der 12-Stunden-Tag/die 60-Stunden-Woche. Viele müssen seit der Einführung im vergangenen September länger arbeiten. Überlanges Sitzen oder Tragen geht umgangssprachlich auf die Gelenke und auf den Kreislauf, steigendes Arbeitstempo schlägt sich auf die Psyche nieder. Was besonders heimtückisch ist, sind giftige Stoffe oder Strahlungen sowie Lärm und Vibrationen. Die Gefahren sind auf den ersten Blick kaum erkennbar.

Manche Grenzwerte sogar halbiert

Durch die Ausweitung der Arbeitszeit sind viele ArbeitnehmerInnen diesen Gefahren um Stunden länger ausgesetzt. Das kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Denn, wie das Sozial- und Arbeitsministerium erst jetzt vor Frühlingsbeginn an alle Arbeitsinspektorate mitteilte, sind die vorgeschriebenen Grenzwerte auf einen 8-Stunden-Arbeitstag ausgelegt. Davor haben die Gewerkschaften und Arbeiterkammern immer gewarnt.

„Jetzt kommt die Bestätigung für unsere Warnung auch aus dem Sozialministerium“, sagt AK-Präsidentin Renate Anderl. Die Unternehmen müssen die Grenzwerte nun anpassen. Manche Werte von besonders gesundheitsschädigenden Stoffen müssen bei einem 12-Stunden-Tag sogar halbiert werden.

Die Gewerkschaften und Arbeiterkammern kämpfen weiterhin für faire und vor allem gesunde Arbeitszeiten.

Mehr Respekt: 12 Stunden arbeiten geht unter die Haut. Nicht nur bei der Tätowiererin

Faire Arbeitszeiten, statt arbeiten bis zum Umfallen. Das gilt für die Tätowiererin ebenso wie für alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dafür braucht es eine starke AK. Und die gibt es nur mit einer starken FSG. Deshalb bei der AK Wahl in Wien ab heute ❌ Liste 1 "Renate Anderl / FSG"

Gepostet von MehrRespekt.at am Dienstag, 19. März 2019

Besondere Gefährdung bei Nicht-Anpassung

Die Anpassung hat natürlich zu erfolgen, bevor ArbeitnehmerInnen länger als 8 Stunden arbeiten müssen. Andernfalls – so warnt auch das zentrale Arbeitsinspektorat – würden wichtige Schutzvorschriften verletzt und die Gesundheit von ArbeitnehmerInnen gefährdet.

Was noch hinzu kommt ist, dass die Unternehmen aufgefordert sind, Bewertungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz neu durchzuführen, wenn sie von verlängerten Arbeitszeiten Gebrauch machen wollen. Denn tun sie das nicht, kann der 12-Stunden-Tag/die 60-Stunden-Woche für betroffene ArbeitnehmerInnen rasch mit einem bösen Erwachen enden.

AK-Präsidentin Renate Anderl sieht jetzt zwar einen wichtigen Zwischenschritt getan, aber zur Wahrung der Gesundheit der ArbeitnehmerInnen und der Rechtssicherheit müssen entsprechende Verordnungen vom Sozial- und Arbeitsministerium folgen.

Tipp: Beratungen von Gewerkschaften und Arbeiterkammern nutzen!

Mehr als 3,7 Millionen ArbeitnehmerInnen sind Mitglied bei den Arbeiterkammern. Statistisch gesehen lässt sich fast jedes zweite Mitglied einmal pro Jahr beraten. Die Themenpalette ist dabei sehr breit und reicht von Arbeitsrecht, Sozialrecht, Insolvenzrecht, Steuerrecht bis hin zum ArbeitnehmerInnen- und KonsumentInnenschutz.

Die Arbeiterkammern schauen aber auch dort genau hin, wo andere auf den ersten Blick gar nichts sehen (wollen). Beispielsweise drängen sie im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzes regelmäßig auf Anpassungen. Es gibt ständig neue Stoffe und Substanzen, die arbeitsbedingte (Krebs-)Erkrankungen verursachen. Wenn davon die Rede ist, denken viele an Männer und Asbest. Betroffen sind aber auch Frauen, zum Beispiel Friseurinnen, Kosmetikerinnen und Frauen mit Nachtarbeit. Sie haben laut Studien ein erhöhtes Krebsrisiko. Das bewusst zu machen, auch das haben sich die Arbeiterkammern zu ihrer Aufgabe gemacht: www.arbeiterkammer.at

Mit gesunder Arbeit Milliarden sparen

Jährlich fallen in Österreich 2,8 Milliarden Euro Kosten durch arbeitsbedingte Erkrankungen aufgrund körperlicher Arbeitsbelastung an, 3,3 Milliarden Euro aufgrund psychischer Belastungen. Das schreibt das Magazin „Gesunde Arbeit“ von ÖGB und Bundesarbeitskammer in der aktuellen Ausgabe 1/2019 zum Thema „Arbeitsbedingte Erkrankungen“. EU-weit verursachen diese sogar 476 Milliarden Euro Kosten, das entspricht 3,3 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts.

Durch Investitionen in bessere Arbeitsbedingungen könnte menschliches Leid vermieden und Kosten gespart werden. Die Betriebliche Gesundheitsvorsorge und bessere Schutzgesetze, zum Beispiel bei den Grenzwerten für gefährliche Arbeitsstoffe, würden allen ArbeitnehmerInnen zu Gute kommen.

Weitere Themen in der aktuelle Ausgabe sind:

  • Heben und Tragen: Die Arbeit nicht auf die leichte Schulter nehmen
  • Arbeitsbedingte Erkrankungen der Atemwege
  • Psyche: Wenn die Stressfalle zuschnappt
  • Krebs durch Arbeit: (K)ein Frauenproblem?
  • Brustkrebs als Berufsrisiko
  • Abschied von der Vision der Leistungsverbesserung?

Das Magazin gibt es kostenlos als Download unter: www.gesundearbeit.at/magazin

Weiter Infos und eine Online-Datenbank mit Gesetzen und Verordnungen zum ArbeitnehmerInnenschutz gibt es unter: www.gesundearbeit.at