Rainer Wimmer

Rainer Wimmer

Österreich braucht einen sozialen Neustart. Das türkis-blaue Experiment ist gescheitert.

Vor rund zwei Jahren hat Sebastian Kurz die SPÖ-ÖVP-Koalition gesprengt, um nach den Neuwahlen im Herbst 2017 – entgegen aller Warnungen – eine Regierung mit der FPÖ zu bilden. Im Zuge des Nationalratswahlkampfs von 2017 haben ÖVP und FPÖ die gesetzlich erlaubten Wahlkampfkosten um mehrere Millionen Euro überschritten. Woher das gesamte Geld genau kam, ist bis heute unklar. Sicher ist aber, dass vor allem Großindustrielle und die Immobilienbranche der Kurz-ÖVP finanziell kräftig unter die Arme gegriffen haben.

Dementsprechend sah dann auch die Politik von ÖVP und FPÖ aus: Die vergangenen 17 Monate waren geprägt von massiven Angriffen auf die Rechte der ArbeitnehmerInnen und auf den Sozialstaat (z.B. 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche, Zerschlagung der Sozialversicherung, Abschaffung des Karfreitags als Feiertag samt Eingriffen in Kollektivverträge, Senkung der Mindestsicherung, Eingriffe bei der Altersteilzeit, etc.) – die Schwächung der Arbeiterkammer und massive Eingriffe in das Pensionssystem wurden bereits vorbereitet.

Begleitend zeigte die FPÖ mit wöchentlichen „Einzelfällen“ ihr wahres Gesicht. Es wurde gezielt und mit Fake News Stimmung gegen BetriebsrätInnen und kritische JournalistInnen gemacht, Minderheiten und sozial Schwächere wurden herabgewürdigt. Die Kurz-Regierung hat das politische Klima in Österreich vergiftet und die Gesellschaft so gespalten wie keine Regierung zuvor.

Politik des „Drüberfahrens“

Der sogenannte „neue Stil“ war in Wahrheit eine Politik des absoluten „Drüberfahrens“. Sebastian Kurz hat den Dialog mit den anderen Parlamentsparteien verweigert, Gewerkschaft und Arbeiterkammer wurden völlig ignoriert. Auch unabhängigen ExpertInnen wurde kein Gehör geschenkt, Volksbegehren wurden ignoriert (z.B. Rauchverbot, Frauenvolksbegehren); Medien wurden unter Druck gesetzt und unseren Geheimdiensten vertraut aktuell kaum jemand.

In den Ministerien und öffentlichen Institutionen haben rechtsextreme Burschenschafter Karriere gemacht und Sebastian Kurz hat diesem Treiben schweigend zugestimmt. Selbst nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ wollte Sebastian Kurz unbedingt weiterregieren. Hinter den Kulissen versuchte er anscheinend, Innenminister Kickl durch einen türkisen Parteigänger auszutauschen und damit seine Macht zu erweitern.

Regierungskrise: Das schwarz/türkis-blaue Experiment ist gescheitert!

Die Regierung Kurz ist am Ende. Sebastian Kurz wird als kürzester Bundeskanzler in die Geschichte der 2. Republik eingehen. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren hat er damit eine Regierung gesprengt.

In dieser schwierigen Situation muss man von einem Bundeskanzler erwarten können, dass er sich wie ein Staatsmann verhält. Stattdessen hat Sebastian Kurz bereits in seinem ersten Statement vor der Presse schmutzige Gerüchte zum Entstehen des „Ibiza-Videos“ verbreitet, um die SPÖ anzupatzen.

In keiner Phase dieser Regierungskrise hat Sebastian Kurz die Opposition tatsächlich eingebunden. Es wurden lediglich Scheingespräche und Alibi-Verhandlungen geführt. Sebastian Kurz missbrauchte jeden öffentlichen Auftritt für Wahlkampfreden, während der Bundespräsident versucht hat, mit ruhiger Hand durch diese Krise zu führen. Kurz hat den Ernst der Lage offenbar bis zum Schluss nicht begriffen, sonst hätte er umgehend vertrauensbildende Maßnahmen gesetzt und die Oppositionsparteien bei seinen Schritten eingebunden.

Jenen Persönlichkeiten, die zuletzt anstelle der freiheitlichen Regierungsmitglieder neu in die Regierung gekommen sind, wurden von der Kurz-ÖVP umgehend politische Fesseln angelegt. Die ÖVP hatte bereits vorsorglich die Kabinettschefs und Pressesprecher in den jeweiligen Ministerien installiert. In anderen Worten: Sebastian Kurz hat eine ÖVP-Alleinregierung eingesetzt, deren einziger Zweck es gewesen wäre, ihn im Wahlkampf zu unterstützen. Eine Situation, bei der eine Partei mit weniger als einem Drittel der Stimmen die gesamte Macht im Staat beansprucht, ist demokratiepolitisch untragbar.

Staatsverantwortung und Stabilität

In dieser schwierigen Situation brauchte es daher aus staatspolitischer Verantwortung eine reine ExpertInnenregierung und kein Wahlkampfkabinett unter der Führung des gescheiterten Kanzlers Kurz.
Daher haben die Abgeordneten der SPÖ am 27. Mai 2019 im Nationalrat beschlossen, Sebastian Kurz und seiner Wahlkampfregierung das Vertrauen zu entziehen. Die klare Mehrheit aller Abgeordneten hat sich diesem Antrag der SPÖ angeschlossen.

Unsere demokratischen Institutionen sind auf Basis unserer Verfassung ein starker Rahmen für diese Situation. Dieser Schritt der SPÖ-Abgeordneten war notwendig, um die anhaltende Regierungskrise nachhaltig zu lösen. Die österreichische Regierung durfte nicht zum Spielball der Machtphantasien einer einzelnen Person verkommen.
Daher braucht es eine echte Übergangsregierung mit ExpertInnen, die uns in den kommenden Monaten jene Stabilität gibt, die unsere Republik benötigt. Diese Übergangsregierung wurde am 3. Juni 2019 angelobt.

Mit vollem Einsatz!

Jetzt beginnt der Wahlkampf. Gemeinsam werden wir uns für einen sozialen Neustart in Österreich einsetzen. Wir sozialdemokratische GewerkschafterInnen stehen für einen starken Sozialstaat, ein funktionierendes Gesundheitssystem, mehr Steuergerechtigkeit und eine fortschrittliche Gesellschaft. Wir sagen „Nein“ zu käuflicher Politik und wollen VerantwortungsträgerInnen, die ausschließlich der Bevölkerung verpflichtet sind und nicht internationalen Konzernen oder reichen Einzelpersonen.

Gemeinsam können wir es schaffen: Wir haben als FSG bei der Arbeiterkammerwahl bewiesen, dass wir gewinnen können – wir werden auch bei der kommenden Nationalratswahl mit vollem Einsatz kämpfen!