Wolfgang Katzian verabschiedet sich nach zehn Jahren aus dem Nationalrat.
Mit der von der SPÖ einberufenen aktuellen Stunde „Faire Arbeitswelt und soziale Sicherheit für alle!“ verabschiedete sich am 26. September 2018 Wolfgang Katzian, seit Juni Präsident des ÖGB, aus dem Nationalrat. Katzian betonte, dass beides, sowohl Fairness als auch soziale Sicherheit in den letzten Monaten massiv unter Druck geraten seien: „Die Wirtschaft hat die Konjunktur gut genützt und gleichzeitig wird von der Regierung ein Asset des Wirtschaftsstandortes, die Sozialpartnerschaft beiseitegeschoben“, so Katzian. Der soziale Ausgleich finde nicht mehr statt, „Unternehmen und große Industriebetriebe haben bestellt, die Regierung liefert und ArbeitnehmerInnen bleiben auf der Strecke.“
Die gesamte Rede hier zum Nachschauen
„Zorn der Menschen steigt“
„Die Maßnahmen der schwarz-blauen Regierung der letzten Monate fügen sich klar zu einem Gesamtbild zusammen“, sagt Katzian: „Industrie und Unternehmen werden entlastet, Hürden wie lästige Betriebsräte und Gewerkschaften werden unter dem Titel des Bürokratieabbaus beseitigt beziehungsweise massiv eingeschränkt.“ Die Gewerkschaftsbewegung und große Teile der Zivilgesellschaft befänden sich in einem Abwehrkampf gegen Verschlechterungen in der Arbeitswelt und bei der sozialen Sicherheit und „immer mehr ArbeitnehmerInnen erkennen, dass der Schmäh, ‚Alles wird besser‘, nicht funktioniert. Der Zorn der Menschen steigt, sie erwarten sich zurecht Respekt und Fairness – ganz besonders in Zeiten der Hochkonjunktur“, so Katzian.
Kein einziger Vorteil für ArbeitnehmerInnen
„Beim Protest gegen den 12-Stunden-Tag, einem Generalangriff auf die Geldbörsen, die Freizeit und die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen, waren schon 120.000 Menschen auf der Straße. Wenn Sie so weitermachen war das erst der Anfang, die Menschen werden sich das nicht gefallen lassen“, richtet Katzian unmissverständlich an die Reihen der Regierungsfraktion. Dass neue Arbeitszeitgesetz sei einseitig, ohne Zustimmung von BetriebsrätInnen und ArbeitsmedizinerInnen und ohne ordentliche Begutachtung „durchgepeitscht“ worden – „ein Gesetz, das keinen einzigen Vorteil für ArbeitnehmerInnen bringt“, sagt Katzian. „Mehr Arbeit, weniger Mitbestimmung“, das sind die Folgen der schwarz-blauen Regierung.
„Gesundheitsmilliarde gibt es nicht“
Auch bei der Gesundheitspolitik der Regierung sind die ArbeitnehmerInnen die Leidtragenden. „Die versprochene Gesundheitsmilliarde gibt es nicht“, so Katzian, der die Selbstverwaltung der Krankenkassen gefährdet sieht. „Leistungsharmonisierung findet nicht statt. Und die Parität, die bei Versicherungen umgesetzt werden soll, obwohl die Versicherten zu 100 Prozent ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen sind, hält vor keinem Verfassungsgericht statt“. Dass die großen Herausforderungen für das Gesundheitswesen, die Prävention und Pflege, nicht angegangen werden, sieht Katzian besonders problematisch. Stattdessen ortet Katzian eine „Gipfelitis“: „Die Sozialpartner werden medienwirksam zu Gipfeln eingeladen, um schöne Bilder zu produzieren, aber echte Verhandlungen findet nicht statt.“
Demokratie wird in Frage gestellt
„Mich bedrückt, wie fast tagtäglich ein Stück Demokratie in Frage gestellt wird, wie Anstand und Fairness im Umgang miteinander auf dem Altar des politischen Marketings geopfert werden“, sagt Katzian. „Aus unterschiedlichen Meinungen und dem Wettstreit um Ideen ist Hass geworden. Hetze gegen Minderheiten ist salonfähig geworden. Wir alle in diesem Haus sind der Demokratie verpflichtet, deren Rückgrat die ArbeitnehmerInnen und freien Gewerkschaftsbewegungen sind.“ Zum Abschluss bedankte sich Katzian bei seinen MitarbeiterInnen und beim SPÖ-Klub: „Ich weiß, dass mein Klub auch in Zukunft an der Seite der ArbeitnehmerInnen stehen wird.“
„Wir werden mehr sein, als die 120.000 Menschen beim letzten Mal.“
„Ich bekenne mich zur Sozialpartnerschaft und werde alles tun, dass sie weiterhin einen wichtigen Stellenwert in diesem Land hat – aber nicht um jeden Preis! Wenn die Verteilungskämpfe härter werden, wird es andere Formen des Austragens von Interessengensätzen brauchen“, sagt Katzian und kündigt an: „Wenn ich heute gehe, seien Sie sicher, dass die Gewerkschaften und ich sehr genau beobachten, welche Aktivitäten und Maßnahmen gesetzt werden. Und wenn der Weg der sozialen Unfairness fortgesetzt, die Demontage des Sozialstaates weitergeführt und die Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen weiter beschnitten wird, dann möchte ich Ihnen sagen, dass wir uns wiedersehen. Ich werde kommen und wir werden mehr sein, als die 120.000 Menschen beim letzten Mal“, richtet Katzian unmissverständliche Worte an die Regierung.