Seit fast zwei Jahren hält uns das Coronavirus in Atem und bestimmt unser (Arbeits-)Leben.
2021 begann mit einem Lockdown. Es folgten Monate voller Evaluierungen, die in rund 600 Verordnungen, Erlässen, Gesetzen und Informationsschreiben resultierten (Stand November 2021). Also fast täglich eine neue Regelung. All das führte schließlich zu einem Paragrafendschungel, mit welchem auch wir uns in der Gewerkschaftsbewegung auseinandersetzen mussten und weiterhin müssen. Von Seiten der Bundesregierung wurde aber bereits neun Mal angekündigt, dass die Pandemie vorbei sei. Sie ist es aber nicht, wie wir heute wissen!
Die Pandemie bescherte den Menschen ein (Arbeits-)Leben, das sie an den Rand der Erschöpfung brachte, zum Beispiel beim Spagat zwischen Homeoffice, Homeschooling und Kinderbetreuung, fehlenden sozialen Kontakten und zusätzlichem Stress durch unklare Corona-Maßnahmen, durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit.
Es war ein Jahr zwischen Lockerungen und Verschärfungen, Lockdown-Varianten (von hart bis light – Stichwort Quadratmeterbeschränkung im Handel – über Oster-Ruhe bis zum Lockdown für Ungeimpfte), aufgehobener und wieder eingeführter FFP2-Maskenpflicht, Öffnungsschritten und darauffolgenden Ausgangsbeschränkungen oder 3G am Arbeitsplatz samt aktuellem Testchaos. Jede Maßnahme war begleitet von heftigen Diskussionen über die Auswirkungen, die Kosten und die Inzidenzzahlen. Gut, dass es den ÖGB und die Sozialpartnerschaft gibt, denn diese einigten sich oft schneller auf Hilfsmechanismen als die Bundesregierung, wie z. B. beim General-Kollektivvertrag bezüglich der Maskenpause (13. Jänner und 1. September 2021) oder bei der Kurzarbeit.
Kurzarbeit & Co.
Die Kurzarbeit erwies sich während der Pandemie als bestes Instrument, um Arbeitsplätze zu sichern. Die Sozialpartner und die Bundesregierung einigten sich im Jahr 2021 gleich zweimal auf Kurzarbeitsmodelle. Ab 1. April 2021 galt die Kurzarbeit IV und ab 1. Juli Kurzarbeit V. Auch wenn es Unterschiede hinsichtlich der Mindestarbeitszeiten und bei Selbstbehalten für die UnternehmerInnen gab, war das Ziel das gleiche: Arbeitsplätze sollten erhalten werden. 1,3 Millionen Beschäftigte waren am bisherigen Höhepunkt der Pandemie in Kurzarbeit und wurden vor Arbeitslosigkeit mit einer geringeren Nettoersatzrate geschützt. Die letzte Variante der Kurzarbeit sieht für Beschäftigte, die während der Kurzarbeit bereits viel an Einkommen eingebüßt haben, die lange in Kurzarbeit waren und einen monatlichen Bruttolohn bzw. ein monatliches Bruttogehalt von weniger als 2.775 Euro haben, vor, dass sie ca. im April 2022 zusätzlich einen Bonus von 500 Euro erhalten sollen. Für ArbeitnehmerInnen in sogenannten Trinkgeld-Branchen soll es einen Trinkgeldersatz geben. Der Zugang zur Kurzarbeit wurde für die Betriebe einfacher und unbürokratischer gestaltet.
Gleichzeitig erzeugten die Gewerkschaften seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie – zum Teil mit den anderen Sozialpartnern – Druck auf die Bundesregierung, wenn Entscheidungen im Interesse der ArbeitnehmerInnen verschleppt wurden, wie etwa bei der Sonderbetreuungszeit, der Freistellung von Schwangeren, der Möglichkeit, sich telefonisch krankzumelden, der Wiedereinführung der Freistellung von Risikogruppen, dem Arbeitslosenbonus in Form von zwei Einmalzahlungen in Höhe von 450 Euro, welcher nur auf Druck des ÖGB gemeinsam mit anderen Organisationen zur Auszahlung kam, oder beim Familienhärtefonds, mit welchem Familien, die durch die Corona-Krise unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren, geholfen wurde.
Mit dem Virus kam auch das Homeoffice, dennoch dauerte es ein ganzes Jahr, bis die Bundesregierung das Homeofficegesetz Ende Februar 2021 zur Begutachtung ausschickte. Der ÖGB kritisierte zwei Punkte und bei beiden wurde nachgebessert: Die Zahl der Tage, an denen zu Hause gearbeitet werden muss, um Werbungskosten geltend machen zu können, wurde von 42 auf 26 gesenkt. Auch können Beschäftigte 2021 die vollen 300 Euro für Anschaffungen geltend machen. Das Gesetz trat mit rückwirkender Geltung ab 1. Jänner 2021 in Kraft.
Für die ArbeitnehmerInnen war es in Summe sehr schwer, bei all den unterschiedlichen Regelungen immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Zudem ergaben sich eine Reihe neuer arbeitsrechtlicher Fragen. ArbeitnehmerInnen wurden daher zu den wichtigsten Fragen auf der Webseite JobundCorona.at von ÖGB und AK über die geltenden Regeln informiert. Das Service von ÖGB und AK wurde jetzt im neuerlichen Lockdown wieder hochgefahren.
Corona-Pandemie & Pflegenotstand
Die Corona-Pandemie zeigte aber auch Versäumnisse und Mängel in der Gesundheitspolitik auf. Schon mit Beginn der Pandemie war sichtbar geworden, dass es einen Pflegenotstand gibt. Die Gewerkschaften forderten daher schon Anfang 2021 die Einrichtung einer Pflegestiftung sowie bessere Arbeitsbedingungen und eine Arbeitszeitverkürzung. Denn es war klar – auch schon vor der Coronavirus-Pandemie, dass bis zum Jahr 2030 mehr als 70.000 Pflegekräfte fehlen werden.
Während der Coronavirus-Pandemie ereilten uns dann Nachrichten über Leistungseinschränkungen in Krankenhäusern, Triage, Tote in Spitalsgängen, ausgebrannte und frustrierte Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitsbereich. Alle Proteste, Petitionen und offenen Briefe überzeugten die Bundesregierung aber bisher nicht, im Pflege- und Gesundheitsbereich rasch für Verbesserungen zu sorgen und auch die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Gemeinsam mit den Gewerkschaften bleiben wir weiter dran und werden den Druck erhöhen! Aber auch die Ausbildungsbedingungen müssen dringend verbessert werden. Jedes Jahr lassen sich tausende junge Menschen für diese sinnstiftenden Berufsfelder ausbilden. Die Studierenden und SchülerInnen müssen Pflichtpraktikumsstunden absolvieren und diese sind fast ausschließlich unbezahlt. Die Gewerkschaftsjugend fordert daher eine gerechte Bezahlung und eine arbeitsrechtliche Absicherung.
Auch was den Corona-Bonus im Pflege- und Gesundheitsbereich anbelangt. Einige haben den Bonus bereits bekommen, viele Beschäftigte warten noch immer auf die Auszahlung. Viele sind trotz einer Ausweitung des BezieherInnenkreises noch immer ausgeschlossen. Tausende SanitäterInnen, KrankenpflegerInnen in den Privatkrankenanstalten sowie externe Reinigungs- und Sicherheitskräfte wurden von der Bundesregierung vom Corona-Bonus ausgeschlossen – aber alle haben ihren Beitrag geleistet und ihre eigene Gesundheit riskiert, um das Leben anderer zu schützen! Der Corona-Bonus ist eine längst überfällige Form der Wertschätzung für alle Beschäftigten im Pflege- und Gesundheitsbereich.
Proteste der ElementarpädagogInnen
Auch die ElementarpädagogInnen kamen während der Corona-Krise weiter unter Druck. Die schlechten Arbeitsbedingungen, die schlechte Entlohnung und mangelnder Schutz vor dem Coronavirus wurden zum Thema. Es folgten eine Vielzahl von Aktionen und Protesten, öffentlichen Betriebsversammlungen und Kundgebungen. Die zuständigen Gewerkschaften fordern unter anderem mehr Personal, kleinere Gruppen, eine Milliarde für den elementaren Bildungsbereich, ein einheitliches Bundesrahmengesetz und eine Ausbildungsinitiative.
Deswegen werden wir auch hier den Druck gemeinsam mit den zuständigen Gewerkschaften weiter erhöhen. Erste Erfolge zeigen sich bereits. So wurde versprochen, mehr Geld für die Elementarpädagogik zur Verfügung zu stellen und die unterschiedlichen Regelungen zwischen den Bundesländern zu vereinheitlichen. Auch die Aufnahme in den Beirat für Elementarpädagogik, aus dem die Gewerkschaften lange Zeit ausgeschlossen waren, konnte erwirkt werden. Die Stadt Wien hat bereits eine Verdoppelung der AssistentInnenstellen und die Aufstockung der Mittel eingeleitet.
Kollektivverträge & Aktionen
Trotz all der herausfordernden Umstände, die das Corona-Jahr 2021 mit sich brachte, verhandelten die Gewerkschaften Kollektivverträge mit Abschlüssen von bis zu fünf Prozent Lohnplus (Lkw-FahrerInnen) aus, standen beispielsweise der MAN-Belegschaft beim Erhalt ihres Standorts zur Seite und bewiesen, dass Solidarität auch in Krisenzeiten gut funktioniert. So mussten auch die Gewerkschaften GPA und PRO-GE für ihre Lohn- und Gehaltsforderungen in der Metallindustrie den Druck erhöhen. Zuerst in BetriebsrätInnenversammlungen, dann in Betriebsversammlungen und schließlich bei Warnstreiks. Und auch bei den Verhandlungen zum Handels-KV kam es zu einer bundesweiten BetriebsrätInnenkonferenz und dann zu Betriebsversammlungen.
Höhere Löhne und Gehälter sind auch die wirksamste Maßnahme gegen den von Wirtschaft und Industrie beklagten Fachkräftemangel. Passen die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen, so lassen sich ausreichend Fachkräfte anwerben. Passen sie nicht, wird niemand bereit sein, zu den schlechten Bedingungen zu arbeiten.
Das Jahr 2021 war trotz aller Einschränkungen auch ein Jahr vieler gewerkschaftlicher Aktionen, zum Beispiel zum Internationalen Frauentag, zum Equal Pay Day oder zum Gender Pension Day sowie zum Klima. Für Letzteres verabschiedete der ÖGB-Bundesvorstand erst am 10. November 2021 erstmalig ein Positionspapier zur Klimapolitik aus ArbeitnehmerInnen-Perspektive. Warum? Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen der Klimakrise am eigenen Leib spürt, und vor allem die letzte, die noch etwas Sinnvolles dagegen unternehmen kann.
Im März 2021 fand der siebente weltweite Klimastreik von „Fridays for Future“ statt. Eine breite Allianz, darunter auch der ÖGB, ging auf die Straße. Die Gewerkschaften machten auf die Auswirkungen der Klimakrise auf den Arbeitsmarkt aufmerksam, um bei Klimaschutzmaßnahmen aktiv eingebunden zu werden. Gefordert werden unter anderem eine Stiftung für Green Jobs. Nur wenige Monate später, am 24. September 2021, fand dann schon der achte Klimastreik statt.
Die Gewerkschaftsjugend machte sich auch gemeinsam mit anderen Organisationen unter dem Motto „Aufstehen für die Bildung“ für ein vernünftiges Regelwerk zur Ausbildung in Zeiten der Coronavirus-Pandemie stark. Nicht nur der Leistungsdruck hat enorm zugenommen, sondern auch das Mitspracherecht der Jugend droht unter die Räder zu kommen. Die ÖGJ fordert daher, dass Lehrlinge nicht weiter als SchülerInnen zweiter Klasse behandelt werden dürfen.
Erfolge & Zukunftsfragen
Mit 1. Jänner 2021 wurde das Wahlalter bei Betriebsratswahlen von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Der jahrelange Druck der Gewerkschaftsjugend hat sich ausgezahlt. Damit wird die Mitbestimmung der Jugendlichen im Betrieb ausgeweitet. Offen geblieben ist die Forderung, dass alle Lehrlinge, also jene unter 16 Jahren, auch wahlberechtigt sind.
Am 1. Oktober 2021 endete eine über 100 Jahre bestehende Ungerechtigkeit, und dies auch nur, weil die Gewerkschaftsbewegung niemals lockergelassen hat. Eigentlich hätten die Kündigungsfristen der ArbeiterInnen an jene der Angestellten bereits am 1. Jänner 2021 angeglichen werden sollen. Wegen der Coronavirus-Pandemie wurde der Termin zuerst auf 1. Juli und schließlich auf 1. Oktober verschoben. Auf manche Bereiche hat die Bundesregierung dabei jedoch abermals vergessen. Wir bleiben daher weiter dran, damit am Ende alle zu ihrem Recht kommen.
Es dauerte auch mehr als 100 Jahre, bis endlich die Gewerkschaftsforderung nach einem einheitlichen Landarbeitsgesetz umgesetzt wurde. Bereits im Jahr 1920 forderten die Land- und ForstarbeiterInnen ein bundesweit gültiges Landarbeitsgesetz und somit das Ende der neun unterschiedlichen Landarbeitsordnungen. Am 1. Juli 2021 trat die einheitliche Regelung in Kraft.
Im März 2021 beschloss der Nationalrat eine Novelle des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (BUAG). Zum 75. Geburtstag des Gesetzes wurde eine lange Gewerkschaftsforderung umgesetzt. Das bereits im Jahr 2014 eingeführte Überbrückungsgeld kann nun schon ab dem 58. Lebensjahr bezogen werden.
Die Sozialpartner (ÖGB, AK, WKÖ und LK, mit dabei auch die IV) präsentierten am 11. Oktober 2021 einen 5-Punkte-Plan zum Rechtsanspruch auf einen wohnortnahen, ganztägigen und ganzjährigen sowie qualitativ hochwertigen Platz in der Kinderbildung und -betreuung ab dem 1. Lebensjahr des Kindes.
Die zivilgesellschaftliche Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze“, die von NGOs, ÖGB und AK getragen wird, fordert die Bundesregierung auf, ein Lieferkettengesetz zu beschließen. Mit verbindlichen Regeln für Unternehmen soll festgelegt werden, dass Menschenrechte und Umweltstandards entlang der Lieferketten einzuhalten sind.
Die Gewerkschaften diskutierten auch im zweiten Krisenjahr im Rahmen der ÖGB-Sommerdialoge 2021 wieder brennende Zukunftsfragen:
- Corona – Arbeitsmarkt – Frauen am 27. Juli 2021 (Investitionen in soziale und infrastrukturelle Einrichtungen wie Kinderbildungseinrichtungen, Verbesserung der finanziellen und personellen Situation der Frauenberatungsstellen für Arbeitsmarktvermittlung, die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, die Förderung der Aus- und Weiterbildung durch Frauenstiftungen sowie die faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeitszeit)
- In die Zukunft investieren am 27. Juli 2021 (5-Punkte-Programm, um Arbeitsplätze zu sichern und gute Arbeit zu schaffen, über die bessere Verteilung der Arbeitszeit, die Verbesserung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die Ausbildung von FacharbeiterInnen, die Stärkung der öffentlichen Hand und wie der private Konsum angekurbelt werden kann)
- Wie finanzieren wir die Kosten der Krise gerecht? am 25. August 2021 (5-Punkte-Programm, wie die Kosten der Krise gerecht finanziert werden können, durch gerechte Verteilung der Steuereinnahmen, die Schaffung von Arbeitsplätzen, ökologisches Handeln im Sinne der ArbeitnehmerInnen, die sinnvolle Nutzung des EU-Recovery-Fonds sowie Transparenz bei der Budgetsanierung).
Betriebsratskampagne „Sei du die starke Stimme“: Im April 2021 starteten die Gewerkschaften gemeinsam mit dem ÖGB eine Betriebsratskampagne, welche im Vorfeld aufgrund der Corona-Krise mehrfach verschoben werden musste. Neben einer breiten Informationskampagne zur Image-Stärkung der BelegschaftsvertreterInnen und einem Buddy-System gab es auch regional zahlreiche Aktionen. Das Ziel der Kampagne war, die Gründung von Betriebsrats- oder Jugendvertrauensratskörperschaften zu unterstützen.