„Türkises Regierungsprogramm mit grünem statt blauem Deckmantel ist enttäuschend.“
Für die FSG im ÖGB ist das türkis-grüne Regierungsprogramm trotz einiger guter Ansätze ernüchternd. Vor allem für ArbeitnehmerInnen gibt es kaum Verbesserungen. „Es ist ein türkises Regierungsprogramm, nun eben mit einem grünen statt einem blauen Deckmantel. Die politische Ankündigungsmaschinerie der Vorgängerregierung wird fortgesetzt. So werden zum Beispiel Klimaschutzmaßnahmen auf die lange Bank geschoben, vieles bleibt vage, es fehlen konkrete Zeit- und Umsetzungspläne. Der Bereich Arbeit wiederum umfasst gerade einmal dürre sieben Seiten. Die Interessen der ArbeitnehmerInnen stehen also auch für die neue Koalition nicht im Mittelpunkt. Das ist aus gewerkschaftlicher Sicht mehr als enttäuschend“, kritisiert FSG-Vorsitzender Rainer Wimmer in einer ersten Stellungnahme.
Keine Korrekturen: Alle Grauslichkeiten von Türkis-Blau bleiben
Weder werden die Grauslichkeiten der türkis-blauen Vorgängerregierung zurückgenommen, noch gibt es dazu Korrekturen. Der 12-Stunden-Tag bzw. die 60-Stunden-Woche bleiben weiterhin ohne Ausgleichsmaßnahmen wie etwa eine Vier-Tage-Woche oder eine leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche. Der gestohlene evangelische Feiertag am Karfreitag wird nicht zurückgegeben, die Schieflage zu Gunsten der Arbeitgeber in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) wird beibehalten. Auch findet sich kein Wort im Programm über einen Risikoausgleich und eine echte Leistungsharmonisierung für alle Versicherten über alle Kassen hinweg. „Die arbeitnehmerfeindlichen Änderungen der jüngsten Vergangenheit werden mit dem neuen Koalitionspakt festzementiert. Da hätte man sich schon einige Reparaturen erwarten dürfen“, ärgert sich Wimmer.
Verbesserungen im Arbeitsrecht fehlen
Weder werden zum Beispiel Maßnahmen gegen Kollektivvertragsflucht angekündigt, noch das Arbeitsinspektorat gestärkt. „Guter ArbeitnehmerInnenschutz braucht nun einmal Beratung und Kontrolle. Aber das türkis-grüne Programm führt auch hier den Kurs der Vorgängerregierung fort und betrachtet das Arbeitsrecht schlicht aus dem Blickwinkel der Standortpolitik“, sagt Wimmer. Einzig die Weiterentwicklung des Kurzarbeitsmodells steche aus Sicht der FSG positiv heraus. Wirkungsvolle Maßnahmen zur Schließung des Gender-Pay-Gaps fehlen hingegen.
Steuerlichen Maßnahmen bleiben deutlich unter den Erwartungen
Der Familienbonus werde in einer Art und Weise ausgebaut, dass damit leider auch die einkommensabhängige Ungleichbehandlung von Familien mit Kindern weiter verstärkt wird. Statt wirkliche Investitionsanreize zu setzen, wird einigen wenigen Konzernen mit der KÖSt-Senkung ein Steuergeschenk ohne volkswirtschaftlichen Nutzen bereitet. ArbeitnehmerInnen bekommen hingegen durch die angekündigte Lohnsteuersenkung bestenfalls die kalte Progression der letzten Jahre abgegolten. Von Steuern auf hohe Vermögen fehlt jede Spur. „Das ist klassische, türkise Klientelpolitik und auch aus diesem Blickwinkel ist daher große Skepsis angebracht. Das türkis-grüne Versprechen, ohne Neuverschuldung die Steuern zu senken und Klimaschutz-Investitionen zu starten, könnte sich als falsch herausstellen“, betont Wimmer.
Vage angekündigte Maßnahmen genau beobachten
Die FSG fordert abschließend Aufklärung bei den sehr unkonkret formulierten Vorhaben im Bereich der Pflegefinanzierung, der „Entbürokratisierung“ von ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften und bei den Pensionen. Etwa die im Programm vage angekündigten Maßnahmen „um Ungerechtigkeiten im Pensionssystem zu schließen und Nachhaltigkeit sicherzustellen“, würden jedenfalls von der FSG genau überprüft werden, sobald diese konkreter würden. Denn in der Vergangenheit hatten solche Marketingsprüche der Regierung nicht unbedingt Verbesserungen für die Versicherten im Auge.
Sicherungshaft in dieser Form ersatzlos streichen
Kritisch sieht die FSG auch Alt-Vorhaben, die noch aus freiheitlicher Feder stammen, wie die geplante Sicherungshaft. „Die Möglichkeit zu schaffen, Menschen bei Verdacht präventiv einzusperren ist nicht mit unserer Verfassungsordnung vereinbar und brandgefährlich für einen Rechtsstaat. Dieser Punkt gehört in dieser Form ersatzlos gestrichen“, sagt Wimmer.